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18
September
2013

Nutzung der Windenergie im Rheingau-Taunus-Kreis: Konsensistan ist weit entfernt

Bürgerinitiative proWald Niedernhausen befragt Direktkandidaten zur Windkraftnutzung

Wer den laufenden Wahlkampf langweilig findet, weil die großen Parteien in ihren Aussagen kaum Abweichungen erkennen lassen, der sei auf das Thema "Nutzung der Windenergie" hingewiesen. Wie eine Befragung der Direktkandidaten der sieben größten Parteien durch die Bürgerinitiative proWald Niedernhausen ergab, liegen bei diesem Thema die Ansichten der Politiker weit auseinander.

Die Bürgerinitiative legte den Direktkandidaten des Bundestagswahlkreises Rheingau-Taunus - Limburg und des Landtagswahlkreises Untertaunus II Ende August 2013 einen detaillierten Fragenkatalog vor. Während beide Kandidaten der FDP ihre Meinung darlegten, beschränkten sich die Parteien CDU, Grüne, Piraten und SPD auf die Stellungnahme je eines Kandidaten. Die AfD beantwortete die Fragen nicht direkt, sondern schickte stattdessen einen Programmentwurf ihrer bundesweiten Arbeitsgruppe Energiepolitik. Die Linken antworteten nicht.

Schon bei den Antworten zum Landesentwicklungsplan Hessen gibt es erhebliche Abweichungen, was nach dem am 6. September 2013 erfolgten Beschluss der Regionalversammlung Südhessen nicht zu erwarten war.

Dieser sieht einen Mindestabstand von 1000 Metern zur nächsten Bebauung vor und verlangt eine Mindestgeschwindigkeit von 5,75 Metern in der Sekunde in 140 Meter Höhe. Vorranggebiete müssen die ausreichende Größe für mindestens drei Windräder haben. Während ein Kandidat der FDP und der Kandidat der CDU mindestens 1000 Meter und eine 10 fache Anlagenhöhe fordern - dies entspricht derzeit etwa 2000 Metern - , möchten die Grünen unter Berufung auf den hessischen Energiegipfel einen "Regelabstand" von 1000 Metern, der im Ausnahmefall und im Einvernehmen mit der Kommune unterschritten werden kann. Ebenso wie die Piraten befürworten auch die Grünen eine Mindestgeschwindigkeit von 5,5 Metern pro Sekunde. Eine feste Mindestanzahl von Windrädern an einem Standort vorzugeben, wird von fast allen Kandidaten abgelehnt, allerdings bevorzugen sie eine Bündelung der Anlagen. Die Frage, ob den geplanten Vorranggebieten eine Ausschlusswirkung zukommen soll, beantworten CDU und FDP mit ja, während Grüne und Piraten mit nein antworten und der Kandidat der SPD diese Frage offen lässt.

Bei dem kontrovers diskutierten und im Landesentwicklungsplan nicht erwähnten Thema "Infraschall" sprechen sich die FDP-Kandidaten dafür aus, vor einem weiteren Bau von Windrädern Studien zur Untersuchung dieser Problematik abzuwarten, während der CDU-Kandidat die Auswirkungen von Infraschall im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft wissen will, damit Gesundheitsgefähr-dungen ausgeschlossen werden. Die Kandidaten der Grünen und der Piraten plädieren dafür, Windräder ohne weitere Prüfungen der Auswirkungen von Infraschall zu errichten, weil sie die Meinung vertreten, dass nach heutigem Stand der Wissenschaft schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windrädern nicht zu erwarten sind. Der Kandidat der SPD hält auch bzgl. Infraschall einen Abstand von 1000 Metern für ausreichend.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird nicht umsonst als "Heilige Schrift der Energiewende" bezeichnet. Ihm ist der gewaltige Ausbau der erneuerbaren Energien zu verdanken, und es wird von den zahlreichen Nutznießern heftig verteidigt. Es enthält u.a. eine Vorschrift, dass Strom aus erneuer-baren Energien vorrangig und überall ins Stromnetz eingespeist werden muss ("Einspeisevorrang"), und eine in der Regel auf 20 Jahre festgelegte, garantierte Vergütung, die weit über dem markt-üblichen Strompreis liegt ("Einspeisevergütung"). Die Differenz zwischen Marktpreis und Vergütung wird den Stromkunden als EEG-Umlage in Rechnung gestellt. In diesem Jahr sind das 5,28 Cent pro Kilowattstunde, im nächsten Jahr werden es ohne Reform wohl zwischen 6,2 und 7 Cent sein, auf diese Beträge wird noch Mehrwertsteuer erhoben. Ein Haushalt mit einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden pro Jahr zahlt bei 6,5 Cent netto eine EEG-Umlage von mehr als 300 Euro brutto jährlich, was besonders für Familien mit geringem Einkommen eine erhebliche Belastung darstellt.

Bei der Frage nach der Änderung des EEG sprechen sich die Kandidaten der FDP für eine Abschaffung des EEG und die Einführung eines Quotenmodells aus, während der Kandidat der CDU das EEG grundlegend reformieren und marktwirtschaftlich ausgestalten will, um eine "verlässliche, umweltschonende und bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen" (Anmerkung: bei einem Quotenmodell legt der Staat mittels einer Quote einen bestimmten Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien fest).
Grüne, Piraten und SPD wollen das EEG bei Verringerung der Vergütungssätze beibehalten, wobei unklar bleibt, ob die Verringerung über die ohnehin festgelegte jährliche Degression hinausgehen soll. Die Grünen wollen das EEG von "kostentreibenden Sonderregelungen befreien, die Lasten fair auf alle Schultern verteilen und die schwachen Schultern entlasten". Sie wollen die "unter Schwarz-Gelb ausgeuferten Befreiungen der Industrie" zurücknehmen, "so dass nur noch die stromintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Industrie beim Strompreis entlastet wird". Der Kandidat der SPD kann sich immerhin die Diskussion über ein Quotenmodell vorstellen.
Die AfD hält die Energiepolitik der derzeitigen Regierung für falsch und das EEG für gescheitert. Sie fordert Marktwirtschaft statt Planwirtschaft, ohne wettbewerbsfreie Zonen und ohne Subventionen. Die AfD führt aus: "Wir sind der Meinung, dass die Politik nicht noch weitere vier Jahre mit unwirksamen Reparaturmaßnahmen an einer nicht verbesserungsfähigen Energiepolitik verbringen darf, die an naturgesetzlichen Grenzen scheitern muss, denn sie ruiniert nicht nur die Bürger, sondern auch die Wirtschaft und treibt besonders die Schlüsselindustrien durch untragbare Energiekosten ins Ausland. Die einmal vorgestellten Begründungen für diese Energiepolitik - Umwelt und Klima schützen zu wollen - sind längst verfehlt und in ihr Gegenteil verkehrt worden, was sich besonders an der rücksichtslosen Errichtung von Windkraftanlagen ablesen lässt."

Der Wind weht nicht immer, und die Sonne scheint manchmal nicht. Der Wind bläst nicht gerade dann stark, wenn wir viel Strom brauchen. Manchmal bläst er so stark, dass die Netze den Strom nicht aufnehmen können. Dann ist das immer und ausnahmslos notwendige Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch von Strom in Gefahr - die Versorgungssicherheit. Stromgewinnung aus Wind und Sonne ist stark vom Wetter und damit vom Zufall abhängig. Dem Windstrom fehlt, wie die Techniker sagen, die Grundlastfähigkeit. Während ein Jahr auf unserem Planeten meist 8.760 Stunden hat, erreichen Windräder in der Theorie häufig nicht viel mehr als 2.000 Volllaststunden pro Jahr, in der Praxis oft deutlich weniger. Ausgleich bieten konventionelle Kraftwerke wie Kohle- und Gaskraftwerke. Je mehr Windräder gebaut werden, desto mehr konventionelle Kraftwerke benötigen wir. Diese können allerdings aufgrund der vorrangigen Einspeisung der "Erneuerbaren" nicht effizient genutzt werden. Die Auslastung selbst moderner Gas- und Dampfkraftwerke ist so miserabel, dass sich ihr Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht mehr rechtfertigen lässt. Dabei dürfen die Betreiber die Kraftwerke nicht einfach stilllegen, wenn diese von der Bundesnetzagentur als "systemrelevant" eingestuft werden. Selbstverständlich erhalten die Betreiber dann trotzdem eine entsprechende Vergütung, die wiederum von den Verbrauchern zu tragen ist.
Hierzu schreibt die AfD: "Damit würde Deutschland eine aus zwei Teilen bestehende Stromversorgung erhalten: Einerseits die "Erneuerbaren" mit immer weiter steigender, teurer Überkapazität und parallel dazu die unverzichtbaren, aber ineffizient genutzten Kohle- und Gaskraftwerke, die dann ebenfalls unwirtschaftlich und auf Subventionen angewiesen sind. Auf diese wirtschaftliche Katastrophe steuert Deutschland jetzt zu."

Einen Ausweg aus dieser Notlage versprechen Stromspeicher wie etwa Pumpspeicherkraftwerke, die je nach Bedarf als Stromquelle oder -senke fungieren. Um die Versorgung aufrecht zu erhalten, wird jedoch mehr als das 300 fache der heutigen Speicherkapazität benötigt. Wegen der hohen Bedeutung von Stromspeichern gibt es hierzu viele Forschungsprojekte mit hoher finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung. Auf die Frage, bis wann bezahlbare Speichermöglichkeiten in aus-reichendem Umfang vorhanden sind, antworten die FDP-Kandidaten übereinstimmend "später als 2040", die CDU: "wir unterstützen die Forschung, um schnellstmöglich technische Lösungen zu finden", die Grünen "2030", die Piraten "2030 bei beschleunigter Förderung" und der SPD-Kandidat: "das kann ich nicht solide beurteilen". Da sich technisch-wissenschaftliche Forschungsergebnisse unserer Meinung nach nicht verordnen oder planen lassen, ist jede Politik, die auf dem Erreichen dieser Ergebnisse innerhalb einer bestimmten Zeit basiert, wagemutig. Hiermit in engem Zusammenhang stehen die beiden Fragen:
"Halten Sie das Ziel für umsetzbar, auf Bundesebene bis 2050 rund 80 % des Energiebedarfs im Strom- und Wärmebereich auf Basis regenerativer Energien bereit zu stellen?" und "Halten Sie die Aussage im Landesentwicklungsplan Hessen für realistisch, dass 2050 100 % der Energiebereitstellung auf Basis regenerativer Energie möglich ist?"
In beiden Fällen antworten die FDP-Kandidaten mit "nein", CDU, Grüne, Piraten und SPD mit "ja", wobei der Kandidat der SPD die Antwort auf die zweite Frage mit dem Vorbehalt versieht, dass wir das "Grundlast- und Speicherproblem in den nächsten Jahrzehnten lösen können".

Auf die Frage: "Befürworten Sie eine Umsetzung des Windkraftausbaus in Hessen nach den derzeitigen Vorgaben des Landesentwicklungsplans, wonach kurzfristig Flächen in der Größenordnung von 2 % der Landesfläche für die Nutzung der Windenergie zur Verfügung stehen sollen?" antworten die beiden FDP-Kandidaten mit "nein" und "Ausbau stoppen" bzw. "Ausbau verzögern", während alle anderen mit "ja" stimmen. Der Kandidat der CDU sagt allerdings, dass "diese 2 % der Landesfläche bis 2050 zur Verfügung stehen" sollen, was unseres Erachtens im Widerspruch zur Angabe "kurzfristig" im Landesentwicklungsplan steht.

Abhängig von den Werten für Abstand und Mindestgeschwindigkeit kann man zwei Planungs-Varianten unterscheiden: Variante I bei einem Mindestabstand von 1000 Metern zur nächsten Bebauung und einer Mindestgeschwindigkeit von 5,75 Metern in der Sekunde in 140 Meter Höhe sowie Variante II mit 750 Metern und 5,5 Metern in der Sekunde. Für den Rheingau-Taunus-Kreis wären 7,5 % (Variante I) bzw. 14,9 % (Variante II) der Kreisfläche Vorranggebiete, was 620 bzw. 1212 Windräder ermöglichte (siehe hierzu FAZ vom 9. August 2013, "Rhein-Main-Region als großer Windpark").

Da unser Fragebogen vor der Festlegung der Regionalversammlung Südhessen auf die Variante I verschickt wurde, hatten wir danach gefragt, für welche Variante sich die Kandidaten aussprechen.
Für uns überraschend spricht sich nur der Kandidat der SPD für Variante I aus, während alle anderen sagen, dass sie keine der beiden Varianten unterstützen. Einer der Kandidaten der FDP spricht sich für ein "Zubaumoratorium" aus und will die Förderung von Neuanlagen aussetzen, bis Netzkapazitäten und Speichertechnologien vorhanden sind. Der Kandidat der CDU verweist darauf, dass der Bau von Windkraftanlagen unabhängig von den "potentiellen Standorten" mit allen Belangen abzuwägen ist, zu denen auch der Landschaftsschutz gehören muss. Die Grünen bestätigen, dass es keine Variante II geben wird, und führen aus, dass die Forderungen der DFS Deutsche Flugsicherung noch zu berücksichtigen sind.

Auf die Frage, ob der gesamte Taunuskamm von der Hohen Wurzel über die Platte und Hohe Kanzel bis zum Buchwaldskopf von Windrädern frei bleiben soll, antworten die beiden FDP-Kandidaten und die CDU mit ja, während Grüne, Piraten und SPD dies ablehnen.


Den vollständigen Fragebogen und alle Antworten der Kandidaten finden Sie im Internet unter www.prowald-niedernhausen.de

Niedernhausen, 17. September 2013

Kategorie(n): Aktuelles

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